Forderungen zur Landtagswahl 2022

Die Ernährungsräte und Ernährungsinitiativen in Niedersachsen
„Ein zukunftsfähiges Ernährungssystem für ganz Niedersachsen!“


Die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen Boden und Wasser, die Klimakrise und der Verlust
an biologischer Vielfalt stellen eine große weltweite Bedrohung für Frieden und Sicherheit
dar. Deshalb haben sich alle Staaten der Vereinten Nationen auf verbindliche
Nachhaltigkeitsziele – die ‚Sustainable Development Goals‘, UN-Agenda 2030 – geeinigt. Die
Ernährung ist mit diesen Zielen in ihrer Gesamtheit stets verknüpft. Eine Transformation des
Ernährungssystems ist notwendig.[1]
Wie viele Ernährungsräte bundesweit [2] setzt sich der Ernährungsrat Niedersachsen dafür
ein, ein resilientes, klima- und umweltschonendes sowie gerechtes Ernährungssystem zu
etablieren, durch das saisonale, regionale und gesunde Lebensmittel aus fairer und
nachhaltiger Herstellung sowie artgerechter Tierhaltung gefördert werden.
Wir fordern eine sofortige und konkrete Umsetzung der bereits bestehenden
Handlungsleitlinien und wissenschaftlichen Gutachten.[3]

Zukunftsstrategie Ernährung
Die Umsetzung und Weiterentwicklung der „Ernährungsstrategie Niedersachsen“ als eine
‚Zukunftsstrategie Ernährung‘ ist dringend notwendig. „Ernährung ist ein
gesellschaftspolitisches Querschnittsthema.“[4] Ein „Runder Tisch“ muss geschaffen werden,
an dem alle Interessengruppen des Ernährungssystems teilnehmen und für die Verstetigung
der Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Organisationen und politischen
Stakeholdern sorgen. Hier sollten die zentralen Themen rund um Ernährung und
Ernährungssicherheit aufgegriffen und ein stärkeres Bewusstsein für den Wert von
Lebensmitteln gesellschaftsweit gefördert werden. Die Verantwortung hierfür muss
ressortübergreifend bei der Staatskanzlei liegen.


Regionale Wertschöpfungszentren und Kompetenzzentren
Regionale Kompetenzzentren für nachhaltige Verpflegungsangebote sind notwendig. Bereits
im Land bestehende Initiativen sollten hier koordiniert und gebündelt werden. Durch sie
sollen Einrichtungen unterstützt werden, weniger Lebensmittel zu verschwenden und
ökologische, saisonale, regionale, tierwohlverträgliche- und faire Lebensmittel zu nutzen.
Die Kompetenzzentren sollen in Regionalen Wertschöpfungszentren[5] integriert sein, um so
die regionale Ernährungssouveränität zu fördern und die Kompetenzen für nachhaltige
Geschäftsmodelle zu stärken.

Zukunftsfähige Landwirtschaft
Der Flächenanteil von Ökolandbau in Niedersachsen soll auf 30 % bis 2030 erhöht werden.
[6] Das Land muss Vorbild sein und die Flächen der öffentlichen Hand entsprechend
umstellen. Das gesamte landwirtschaftliche Produktionssystem muss auf nachhaltige
Bewirtschaftungsverfahren umgestellt und mit den Methoden des Ökologischen Landbaus
zukunftsfähig gemacht werden. Dazu gehört auch die Förderung regenerativer
Bewirtschaftungsformen und nachhaltiger Vermarktungssysteme.

Vorbild Landeskantinen
Die Landeskantinen[7] als Großverbraucher frischer, regionaler und saisonaler Lebensmittel
müssen eine Vorbildfunktion erfüllen. Bis 2025 sollten sie auf die Verwendung regionaler
und (vom Ziel her) ökologisch produzierter Lebensmittel ausgerichtet werden.

Kantinen „for Change“
Ein finanzielles Förderprogramm für die klimaverträgliche Gemeinschaftsverpflegung in
Kommunen, insbesondere in Kitas und Schulen, und privaten Einrichtungen muss
bereitgestellt werden. Die Umstellung und Weiterentwicklung der Ernährungskonzepte zu
einer stärker pflanzenbasierten Ernährung [8] sollte durch die regionalen Kompetenzzentren
unterstützt werden. Schulen und Kitas sollten ihre Mahlzeiten kostenfrei anbieten, um
frühzeitig eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Ernährungskultur für alle zu fördern.
„Die Entscheidung für die eigene Gesundheit liegt jeden Tag auf dem Teller.“ [9]
Grundnahrungsmittel von der Mehrwertsteuer befreien
Die Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass unverarbeitete Grundnahrungsmittel
(wie z.B. Gemüse und Obst) von der Mehrwertsteuer befreit werden. Dies schafft den
Anreiz, frische Lebensmittel stärker zu nutzen und selbst zu verarbeiten.
Verarbeitete Lebensmittel (so Produkte der Lebensmittelindustrie) bleiben weiterhin
mehrwertsteuerpflichtig.

Flächenverbrauch stoppen
Der Flächenverbrauch in Niedersachsen muss bis zum Jahr 2025 auf maximal 5 ha/d und bis
2035 auf Netto-Null begrenzt werden. Der tägliche Verlust von 54 Hektar als
Siedlungsflächen und Verkehrsflächen ist nicht hinnehmbar, weil so immer mehr wertvolle
Acker- und Grünlandflächen verloren gehen [10]. Um die wertvollen ökologischen
Bodenfunktionen und die landwirtschaftlichen Flächen zu sichern, brauchen wir einen
Schutz- und Erhaltungsmechanismus sowie eine ressourcenschonende Flächennutzung.

Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung
Die Landesregierung muss das Wegwerfen von Lebensmitteln in Supermärkten verbieten
und dafür auf Landes- und Bundesebene rechtliche Grundlagen gegen
Lebensmittelverschwendung schaffen[11]. Notwendig sind verpflichtende Maßnahmen im
Rahmen der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.
Bildung für nachhaltige Entwicklung in Ausbildung und Schule
Die Aus- und Fortbildung des pädagogischen Personals muss eine klimafreundliche
Ernährungsbildung beinhalten. Die Lerninhalte von Kitas und Allgemeinbildenden Schulen
müssen um die Umweltauswirkungen des Ernährungssystems[12] ergänzt werden.
Notwendigen Rahmenbedingungen (so Kochküche, Schulgärten) sind zu schaffen.



Pressekontakt
Peter Wogenstein – Sprecher des Ernährungsrats Niedersachsens
Am Listholze 7, 30177 Hannover
„Netzwerk Ernährungsräte Niedersachsen e.V.“
Tel. 0172 204 9188
E-Mail: peter.wogenstein@t-online.de
https://ernaehrungsrat-niedersachsen.de


Fußnoten
[1] „Eine umfassende Transformation des Ernährungssystems ist sinnvoll, sie ist möglich und sie
sollte umgehend begonnen werden.“ Gutachten WBAE Juni 2020, Seite xxiii. Vgl. auch „Unser Rezept
für die Zukunft. Niedersachsens Ernährungsstrategie, Dezember 2021 (Ernährungsstrategie
Niedersachsen), Seite 24. Wuppertal Institut (2021): Zukunftsfähige Ernährungssysteme und
Konsummuster. Aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung zu nachhaltiger Ernährung am Wuppertal
Institut. In: Zukunftsimpuls 2019.
[2] Siehe dazu die Forderung der Ernährungsräte in NRW zur Landtagswahl im Mai 2022 unter
https://ernaehrungsraete.org/2022/04/05/forderungen-nrw-landtagswahl-2022/. Zentrale Aspekte
finden sich in unseren Forderungen wieder.

[3] Siehe als Auswahl: „Unser Rezept für die Zukunft. Niedersachsens Ernährungsstrategie,
Dezember 2021 (Ernährungsstrategie Niedersachsen), Gutachten WBAE Juni 2020, Abschlussbericht
Zukunftskommission Landwirtschaft, Green new Deal/ Farm to Fork Strategy (EU)
[4] Siehe Ernährungsstrategie Niedersachsen, Seite 12.
[5] Siehe Ernährungsstrategie Niedersachsen, Seite 52-53. Landesverband Regionalbewegung NRW
e.V. (2022): Regionalitätsstrategie NRW. Zukunftschancen für Regionalvermarktung, Biodiversität,
Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk
[6] Die Ernährungsstrategie Niedersachsen sieht nur 15% bis 2030 vor (Seite 52). Siehe auch
„Öffentliches Land … in ökologische Hand.“ (Seite 69)
[7] Auf die Frage, „Wie NACHHALTIG ISST unsere Regierung ?“ liefert die Studie erschreckende
Ergebnisse in: Svea Spieker, Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft. Analyse und Optimierung von
Nachhaltigkeitsmanagement und -kommunikation am Beispiel der Bundeskantinen, Institut für
Welternährung (IWE) und Hochschule Darmstadt, 2021.
[8] „Es gibt viele Krankheiten, die durch ausgewogene Ernährung verhindert oder zumindest
vermindert werden könnten – seien es Herz-, Kreislauferkrankungen, Fettleber, Arthrose oder
Bluthochdruck … Die Entscheidung für die eigene Gesundheit liegt jeden Tag auf dem Teller!“,
Ernährungsstrategie Niedersachsen, Seite 6. Siehe auch Seite 16.
[9] Ernährungsstrategie Niedersachsens, Seite 34 und 37. Siehe auch EU-Projekt „School Food for
Change“ im Rahmen des Forschungs- und Innovations-programms Horizon 2020, das u.a. in der Stadt
Essen umgesetzt wird.
[10] www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/strategie-undumsetzung/flaechenverbrauch-worum-geht-es
[11] In Frankreich wurde das Gesetz zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung
(LOI n° 2016-138; auch bekannt als „Loi Garot“) am 11. Februar 2016 verabschiedet.
[12] Siehe Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2019): Nationale Strategie zur
Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.
[13] Siehe Ernährungsstrategie Niedersachsens, Seite. 40ff. Heseker, H. / Hirsch, J. / Dankers, R.
(2019): Forschungsbericht „Ernährungsbezogene Bildungsarbeit in Kitas und Schulen“. Universität
Paderborn sowie Ritter, G. / Reichardt, K. /Hielscher, J. (2021): „NRW isst besser! Wegweiser zu
einem nachhaltigeren Ernährungssystem in NRW“. FH Münster / Institut für Nachhaltige Ernährung

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